„Ich sah Heidelberg an einem völlig klaren Morgen, der durch eine angenehme Luft zugleich kühl und erquicklich war. Die Stadt in ihrer Lage und mit ihrer ganzen Umgebung hat, man darf sagen, etwas Ideales.“

So schrieb Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1797.

224 Jahre später wandelte ich auf Goethes Spuren und weil der Morgen des 22. Juli 2021 so klar, und die Stadt mit ihrer ganzen Umgebung so ideal war, erstellte ich zwei Riesen-Panoramen in einer Auflösung, wie sie die Welt von Heidelberg noch nicht gesehen hat: 46 und 70 Gigapixel – also Bilder, die 46 bzw. 70 Milliarden Pixel groß sind!

Als erstes präsentiere ich eine Aufnahme von der Scheffelterrasse, benannt nach dem Dichter Viktor von Scheffel (1826 – 1886), der u. a. in Heidelberg studierte:

Klick auf das obige Vorschaubild führt zum Gigapixelbild!

Meine Standard-Ausrüstung für Gigapixelfotos ist derzeit die Canon 5DsR mit dem Canon EF 4/600 mm L IS II. Damit wurde auch das obige Bild aufgenommen. Es wurde aus 1950 Einzelbildern à 50 Megapixel zusammengesetzt.

Die Aussicht von hier auf Schloss, Altstadt und Neckar ist sicher eine der sehenswertesten Perspektiven auf Heidelberg, allerdings nur für Frühaufsteher. Nachmittags liegt alles im Gegenlicht.

Die Aufnahme entstand ca. 1 Stunde nach Sonnenaufgang. Ich hätte lieber noch früher angefangen, aber es dauerte eine Weile, bis die Sonne es über die Bergkuppe schaffte und das Schloss in ihr warmes Morgenlicht tauchte.

 

Das schärfste Gigapixel-Bild der Welt

Die zweite Aufnahme entstand vom gegenüberliegenden Neckarufer. Dort führt ein Fußweg den Berg hoch und gibt immer mal wieder eine schöne Aussicht auf Altstadt und Schloss frei: Der Philosophenweg. Interessant auch die Herkunft des Namens. Ich zitiere aus Wikipedia: Seine Bezeichnung verdankt der Philosophenweg vermutlich […] den Heidelberger Studenten, die den Weg wohl schon früh als idealen Ort für romantische Spaziergänge und ungestörte Zweisamkeiten entdeckten. Die synonyme Verwendung der Worte Student und Philosoph stammt aus Zeiten, in denen jeder Studierende vor Beginn des Fachstudiums zunächst Philosophie […] studieren musste.

Am Nachmittag vorher hatte ich bereits ein Panorama von dort aus aufgenommen, auch mit 600 mm.

Weil aber die Bedingungen so ideal waren, schleppte ich mein Equipment am Nachmittag des 22. Juli erneut den Philosophenweg hoch und versuchte mich an etwas Größerem: Mit einem 2-fach Extender verlängerte ich die Brennweite auf 1200 mm. Damit verdoppelt sich auch der Zoomfaktor im fertigen Gigapixelbild.

Es vervierfacht sich allerdings auch die Anzahl der Einzelbilder. Trotz des relativ engen Bildwinkels von ca. 90° x 25° benötigte ich 2560 Einzelbilder. Ein Einzelbild der Canon 5DsR hat eine Größe von 50 Megapixeln. Bei einer Brennweite von 1200 mm ergibt das eine beeindruckend hohe Auflösung von 5110 Pixel pro Grad Bildwinkel. Man möge mich korrigieren, wenn ich Unrecht habe, aber nach meiner Kenntnis hat das noch nie jemand gemacht. Das Bild erkläre ich daher bis auf weiteres zum “schärfsten” Gigapixel-Bild der Welt, oder genauer gesagt, zum Gigapixel-Bild mit der höchsten Winkelauflösung.

Hier das Ergebnis:

Aber lohnt sich der Einsatz einer so langen Brennweite überhaupt? 1200 mm ergeben theoretisch 2 x so viele Pixel pro Grad Bildwinkel oder 4 x so viele Pixel in der Fläche wie mit 600 mm.

Doch werden damit auch doppelt so viele Details aufgelöst?
Antwort: Theoretisch ja, praktisch nein.

Dagegen spricht:

Der Extender: Das Auflösungsvermögen des Objektivs ist mit Extender geringer als ohne. Besonders am Bildrand. Der Auflösungsverlust ist allerdings gering. Es werden tatsächlich mehr Details aufgenommen als ohne Extender.

Die Luft: Luft ist das größere Problem. Je größer die Aufnahmeentfernung, desto mehr Luft müssen die Lichtstrahlen passieren. Und Luft, vor allem wenn in Bewegung, lenkt Licht ab. Je mehr Tele, also je größer die Brennweite, desto stärker ist der Effekt sichtbar. Eine Ursache für Luftbewegungen ist die Thermik. Das sind von der Sonne begünstigte Aufwinde, gerne genutzt von Segelfliegern. Die Thermik ist in der Regel kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor ihrem Untergang am geringsten. Auch die Bodenbeschaffenheit beeinflusst die Thermik. Bebauung, Autoverkehr und Asphalt heizen die Luft auf. Vegetation oder Wasser weniger bzw. verzögert. Das war bei dieser Aufnahmeposition günstig: Zwischen Kamerastandpunkt und den ersten Häusern der Altstadt bestand der Untergrund aus Vegetation und Wasser (Hang und Neckar).

Ich war früh vor Ort, doch ich konnte erst am späten Nachmittag beginnen. Vorher war das Hitzeflimmern noch zu stark. Ich begann am rechten Bildrand um 16 Uhr 53 und arbeitete mich in 3 Stunden 45 Minuten nach links durch. Ziel war es, das Schloss und die Alte Brücke mit möglichst wenig Hitzeflimmern, also kurz vor Sonnenuntergang, aufzunehmen.

Das mit 1200 mm aufgenommene Gigapixelbild zeigt tatsächlich deutlich mehr Details als wenn ich es mit 600 mm aufgenommen hätte, allerdings nicht soviel wie theoretisch möglich. Nur der Aufwand, der war tatsächlich 4 x so hoch. In den Wirtschaftswissenschaften würde man von “abnehmendem Grenznutzen” sprechen. Angewandt auf die Gigapixelfotografie: Eine Verdopplung der Brennweite von z. B. 300 auf 600 mm bringt mehr zusätzliche Details als eine Verdopplung von 600 auf 1200 mm.

Soweit die Theorie, jetzt zur Praxis. Ein Vergleich mit dem tags zuvor mit 600 mm aufgenommenen Panorama zeigt den tatsächlichen Auflösungsgewinn (auf Bild klicken, um es in Originalgröße zu sehen):

Mit 1200 mm ist die Historie der Brücke gut lesbar, mit 600 mm: keine Chance.

Keine Chance hat man auch, diese Tafel in der Totalen überhaupt zu erkennen. Deshalb nochmal zur Orientierung … sie befindet sich hier: