Das Ernst-Reuter-Zitat in der Überschrift bezieht sich auf das geteilte Nachkriegs-Berlin. Aber hier geht es um eine andere Hauptstadt: Sofia, die Hauptstadt Bulgariens.

Auf Einladung von Architekt und Panoramafotograf George Palov besuchte ich die Stadt im September mit 50 kg Gepäck, das meiste davon Fotoausrüstung! George hatte ein paar interessante Locations für Gigapixel-Fotografie organisiert, darunter den Rohbau des ersten echten Wolkenkratzers in Bulgarien, den SkyFort-Tower.

Innerhalb von 10 Tagen wollten wir so viele Gigapixelbilder wie möglich von Sofia und Umgebung machen. Ein Glücksspiel, denn für Gigapixel-Aufnahmen braucht es besonderes Wetter: Wenig Wolken, wenig Wind, wenig atmosphärische Störungen in der Luft. In der ersten Woche meines Aufenthaltes war es eher diesig. Wir nutzten die Zeit für kleinere Gigapixelaufnahmen, z. B. von Bulgariens zweitgrößter und ältester Stadt Plowdiw, sowie für den Test der Ausrüstung.

Aber dann kam 11. September (sic!) und an dem Tag waren die Bedingungen nahezu perfekt. Den Morgen und Mittag verbrachten wir auf dem SkyFort-Tower:

Wir hätten gerne direkt nach Sonnenaufgang angefangen (wegen der Thermik), aber das ging nicht und wir waren froh, überhaupt die Baustelle betreten zu dürfen. Mit der spiegellosen 45-Megapixel Canon EOS R5 und dem Canon EF 600 mm f/4L IS III USM plus Extender 1.4x III (= 840 mm), montiert auf einem motorischen Panoramakopf von Seitz (Roundshot VR Drive) schossen wir in rund 5 Stunden knapp 3000 Einzelbilder, die wir zum bis dato größten Foto zusammensetzten, das jemals in Bulgarien erstellt wurde:

Mit einer Bildbreite von 636.650 Pixeln und einer Höhe von 104.371 Pixeln besteht das Bild aus über 66 Milliarden Bildpunkten = 66 Gigapixeln! Hier geht’s zur interaktiven Version.

Nach dieser Aufnahme ging’s direkt zur nächsten: Zum 186 m hohen Fernsehturm auf der Felsspitze “Kopitoto”, ca. 750 m über der Stadt. Meines Erachtens die allerbeste Position, um auf die Stadt zu schauen:  Normalsterblichen ist der Aufstieg auf das Ungetüm aus Stahl und Beton mit sozialistischem Charme nicht vergönnt, aber George ließ Beziehungen spielen und da waren wir:

Von hier aus lässt sich die ganze Stadt überblicken!

Allerdings ist alles recht weit weg. Im Weltraum wäre das kein Problem, aber auf der Erde bedeutet das: Zwischen Kamera und Motiv ist ganz viel Luft. Wenn die sich z.  B. durch Temperaturunterschiede bewegt, wird das Motiv oft unscharf oder verzerrt, wie wenn man auf ein Objekt schaut, das auf dem Boden eines Schwimmbeckens liegt. Bei Weitwinkelbildern fällt das nicht auf, aber je mehr Brennweite (“Tele”) man verwendet, desto stärker wird der Effekt. Doch manchmal hat man Glück und die Luft ist klar. Und am späten Nachmittag des besagten Septembertages waren die Bedingungen perfekt! Bis zum Sonnenuntergang war nicht mehr viel Zeit, so dass wir statt mit 840 mm “nur” mit 600 mm arbeiteten. Wir wollten die ganze Stadt draufkriegen und dafür auf Nummer sicher gehen.

Nach über 10 Jahren Gigapixelfotografie ist das Ergebnis für mich das beste, was mir (bzw. in diesem Fall uns) je gelungen ist:

Auf das Bild klicken, um zum Gigapixelbild zu gelangen!

Egal wohin man schaut, alles ist scharf! Nachdem das Bild im Kasten war, hatten wir noch eine Dreiviertelstunde bis zum Sonnenuntergang. Für ein weiteres komplettes Panorama reichte die Zeit nicht mehr, aber für ein partielles Panorama der Innenstadt wollten wir noch eine Schippe drauflegen: Mit einem 2x Extender verdoppelten wir die Brennweite des Objektivs auf 1200 mm! Wegen des recht starken Windes mussten wir die Empfindlichkeit des Sensors auf ISO 400 erhöhen. Belichtungszeit war 1/640 s bei Blende 8 (= Offenblende bei 1200 mm). Obwohl die Optik durch den Wind heftig zitterte, sorgten die Bildstabilisatoren der Kamera und des Objektivs für perfekte Schärfe jedes einzelnen Fotos! Hut ab Canon, für diese technologische Meisterleistung, die mit knapp 20.000 € für Kamera und Objektiv allerdings auch nicht ganz billig zu haben ist …

Hier ist das Ergebnis:

Es folgen ein paar 100-%-Ausschnitte aus dem obigen Panorama.

Graffiti auf Kraftwerk – Entfernung: 11 km

Kuppel der Alexander-Nevski-Kathedrale – Entfernung: 10 km

Flugzeug am Flughafen Sofia – Entfernung: 15 km (!)

 

Mehr auf gigapixel.bg oder supergigapixel.com.

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